on imagination (spin-off analytical engine) (2021, 2024)
on imagination (2021, 2024)
audio installation, stereo, 18:44 min, loop
The spoken Morse code translation of an Ada Lovelace quote about imagination addresses the power and fragility of codes and conventions. It further highlights the imaginative possibilities that open up through recoding and transformation. A standardized code, generated by strict rules and high standards, is interpreted and subjectivized by a human voice. This opens up new associations and, above all, an intimacy that lives precisely from the imperfection and the resonating sensitivities.
The field of tension between standardization and individuality finds an interesting and reinforcing resonance in this installation setting - the dressing room of an old, public thermal bath.
Celia Längle – Zwischen den Silben (Text von Sandra Smolcic - Musée Visionnaire 2024)
Didahdah didididit didah dah / didit dididit / didit dahdah didah dahdahdit
didit dahdit didah dah didit dahdahdah dahdit dididahdahdidit …
Monoton, von kurzen Aussetzern und Versprechern unterbrochen, dringen die Silben ins
Bewusstsein. Wie ein tropfender Wasserhahn, der hin und wieder den Rhythmus wechselt,
wie ein Computer, der konzentriert versucht, eine einprogrammierte Aufgabe korrekt zu
lösen. Dabei wird schnell klar: Hier spricht keine Maschine.
Was wir hören, ist die SGmme von Celia Längle, die das Alphabet, wie wir es kennen, gegen
das der Morsezeichen eingetauscht hat. Der Text: ein in Morsecode übersetztes Zitat von Ada
Lovelace, «on imaginaGon». Die Britin (1815-1852) wird häufig als die erste Programmiererin,
wenn nicht gar als die Erfinderin des Computers betrachtet.
Eine Pionierin ihrer Zeit, die sich nicht nur mit mathemaGschen Problemstellungen
herumschlug, sondern vielmehr an der SchniZstelle von Wissenscha[ und Kunst wirkte –
woran auch ihre Herkun[ nicht ganz unschuldig sein dür[e: Ihr Vater war der Dichter Lord
Byron, die MuZer MathemaGkerin. Dass es gerade diese Überlappungen der Disziplinen sind,
denen Celia Längle in ihren Arbeiten nachspürt, hängt auch mit ihrem eigenen Background
zusammen. Die studierte Molekularbiologin und ausgebildete Sängerin fand über die
Fotografie zur freien Kunst. «Fotografie, SGmme, Konzept, Wissenscha[ – da kommt alles
zusammen, ich muss mich nicht entscheiden.» Auch die Essenz von Lovelaces Text liegt darin,
zusammenzubringen, was scheinbar nicht zusammengehört:
«[…] ImaginaGon is the Combining Faculty. It brings together things, facts, ideas, concepGons,
in new, original, endless, ever varying, CombinaGons. It seizes points in common, between
subjects having no very apparent connexion, & hence seldom or never brought into
juxtaposiGon. […]»
Celia Längle nimmt Lovelaces Gedanken, verpackt sie und überlässt das Entpacken der
Vorstellungskra[ der Zuhörenden. «Das ist für mich der Kunstaspekt: Dinge aus dem Kontext
nehmen und neu in Kontext setzen. Dadurch entsteht etwas Spannendes», beschreibt die
Liechtensteinerin ihre Herangehensweise – und nimmt dadurch den Inhalt der Botscha[, die
Ausführungen von Lovelace, bereits vorweg. «Ich nehme etwas, das es gibt und bringe es in
neuen KombinaGonen zusammen. Dadurch wird es neu codiert. Der Zusammenhang
generiert eine Bedeutung, einen Dialog.» Dabei geht es Längle gar nicht so sehr um das
Entschlüsseln des Codes, ohne das das Gesprochene rätselha[ bleibt – vielmehr betreibt sie
ein Spiel mit der ImaginaGon der Zuhörenden, wodurch sich neue Bedeutungsebenen und
Erfahrungsräume öffnen. Wer sich auf den Klang der Sprechsilben einlässt, wird irgendwann
wahrnehmen, wie mächGg und zugleich zerbrechlich Codes und KonvenGonen sind. Hat sie
da gerade Lu[ geholt, war das etwa ein Räuspern, ist sie an der einen Stelle nicht plötzlich
schneller geworden, klingt die SGmme bei Minute Acht nicht fast ein wenig genervt? – wer
genau hinhört, hört unweigerlich auch die Patzer. «Mir geht es auch um die Frage, was
passiert, wenn Persönlichkeit zu etwas Normiertem dazukommt, wenn man Codes, die
eigentlich einschränken, zur Spielwiese macht.»
18 Minuten und 44 Sekunden benöGgt Celia Längle, um den aus 1400 Wörtern bestehenden
Textauszug in Morsecode wiederzugeben. 18 Minuten und 44 Sekunden, in denen sie sich
alle Mühe gibt, den durch strenge Regeln und Standards erzeugten Code korrekt abzulesen,
Tonlängen, Pausen und Geschwindigkeit einzuhalten – und trotz aller Anstrengung immer
wieder scheitert. «Am Anfang geht es dir noch leicht über die Lippen. Aber dann wird es zäh,
unangenehm, du versprichst dich. Zwischendurch wurde ich fast aggressiv. Manchmal ist es
beinahe ein Lied, wird zu einem Gesang.» Erst unbewusst, dann immer bewusster sucht
Längle nach Freiräumen innerhalb der ReglemenGerungen. AssoziaGonen an den Dadaismus
werden wach – nicht nur aufgrund des kindlichen Wortklangs der Sprechsilben. Auch die
Dadaisten suchten nach Schlupflöchern im System, stellten KonvenGonen auf den Kopf,
trieben sie gar ins Absurde.
Dahdidahdit dahdahdah dahdit dididit dahdidahdit didit dahdahdah dididah
dididit …
Absurdität und IrritaGon, AbstrakGon und ImaginaGon gehen in Celia Längles Arbeit Hand in
Hand. Ja, es darf auch geschmunzelt werden, wenn Mensch und Maschine
aufeinandertreffen und sich Neues, Unerwartetes formiert. Neben dem Spannungsfeld von
KonvenGon und Individualität zeigt «on imaginaGon» auch das Potenzial von Humor und
Fantasie im Prozess der Dekodierung und Neukontextualisierung auf. 170 Jahre sind seit dem
Tod von Ada Lovelace vergangen. Aus Theorien über Technologien sind längst Tatsachen
geworden, kaum etwas funkGoniert noch ohne So[ware und Codes. Doch so sehr wir
inzwischen auch mit unseren Mobiltelefonen verwachsen scheinen, so o[ wir das Lösen
von Problemen künstlichen Intelligenzen überlassen, bleiben wir doch immer menschlich –
und damit fehlbar. Haben wir also versagt? Mitnichten. Damals wie heute ist es die
ImperfekGon, sind es die Zwischentöne, die Räusperer, Schmunzler und Fehler, in denen der
subversive Akt liegt und damit das kreaGve Potenzial, mit dem wir uns tagtäglich in der Welt
behaupten, uns diese zu eigen machen – und aus dem am Ende Neues entsteht.
Und seien wir ehrlich: Wäre das Leben nicht langweilig, würden wir jeden
Code immerzu befolgen?